Materialien waren immer schon Träger von Nachrichten. In unserer
heutigen Situation bekommen sie allerdings eine neue Relevanz aufgrund der wachsenden Informationsströme, die unsere Gesellschaften
kontinuierlich formen. Infolgedessen arbeiten viele wissenschaftliche Felder gleichzeitig daran, die Möglichkeiten der Materie
zur Handhabung dieser Ströme zu erweitern. Auf dem Weg zur Realisierung von Konzepten wie "programmable matter" und "adaptive
architecture" entstehen Forschungsgruppen zu "mediated matter", transitiven Materialien und Metamaterialien. Diese noch jungen
Bereiche durchzieht ein mechanistisches Denken, das vielversprechende Aspekte neuer, aktiver und formwandlerischer Materialien
jedoch unbeachtet lässt.
Unter Berücksichtigung von Gaston Bachelards poetischen Essays über den Einfluss von Materie
auf die Imagination und vor dem Hintergrund einer seit Ovids "Metamorphosen" andauernden zweitausendjährigen Aufladung unserer
Kultur mit Ideen der Gestaltwandlung soll eine praktische und kritische Annäherung an die Entwicklungen in den konvergierenden
Bereichen von Physik, Chemie, Computer- und Materialwissenschaften stattfinden, um Fragen wie nach der psychischen Resonanz
aktiv werdender Materialien oder nach ihrem Potenzial zur Neuverhandlung unserer dinglichen Wirklichkeit entgegenzutreten.
Beide relevanten Bezugssysteme, nämlich wissenschaftliche Entwicklungen und die Imagination, die sich mit Transformationen
von Materie beschäftigt, werden zusammengeführt, um mittels neuer Ansätze, Konzepte und konkreter Aktionen bestehende künstlerische
Perspektiven zu erweitern.
Das Projekt
Liquid Things widmet
sich der künstlerischen Grundlagenforschung und ist in drei Blöcke gegliedert: Material/Technologie, Theorie/Reflexion und
Kunst/Prozess, mit jeweils mehreren internationalen Einladungen zu konzentrierten, zeitlich beschränkten Kooperationen mit
individuellen Abschlusspräsentationen. Das erste Modul konzentriert sich auf Experimente mit neuartigen Materialien; das zweite
vertieft den Kontext und bestimmt den theoretischen Rahmen unserer Recherchen; das dritte beinhaltet die Herstellung von künstlerischen
Prototypen. Die wichtigsten Ergebnisse werden präsentiert in: zwei Workshops über den künstlerischen Umgang mit aktiven Materialien,
einem Symposium, welches das theoretische und praktische Feld des Projekts in Hinsicht auf art-based research reflekiert,
einer Ausstellung, die die Prototypen zur Diskussion stellt und einer abschließenden Buchpublikation, die die Prozesse, Kollaborationen,
Aktivitäten und Resultate des Projekts zusammenfasst. Die drei Blöcke greifen stark ineinander und ermöglichen es, einen kritischen
und gleichzeitig wohlwollenden neuen Umgang, eine vertiefende Kollaboration, mit dem Material, zu entwickeln.
Roman Kirschner